The Chalice of Truth: Not a Minute of Silence for Them
opening May 03, 2025
JUANITA DÍAZ TORRES
Der Kelch der Wahrheit: Keine Schweigeminute für sie
In Kolumbien hat der jahrzehntelange bewaffnete Konflikt Millionen von Opfern gefordert – im Zusammenhang mit fünf schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen: Mord, gewaltsames Verschwindenlassen, Entführung, Rekrutierung von Kindern und Vertreibung. Bereits im Jahr 2018 berichtete das Observatorium für Erinnerung und Konflikt über 15.687 Fälle sexualisierter Gewalt in diesem Kontext. Heute zeigt das aktuelle Einheitliche Opferregister (RUV) einen alarmierenden Anstieg – mit 32.446 dokumentierten Fällen von Gewalt gegen sexuelle Selbstbestimmung und Integrität. 92 % der Betroffenen sind Frauen und Mädchen. Die Täter: paramilitärische Gruppen, Guerilla-Einheiten und staatliche Akteure.
Und doch – laut dem Centro Nacional de Memoria Histórica – fällt es bewaffneten Gruppen deutlich leichter, einen Mord zuzugeben, als eine Tat sexualisierter Gewalt zu gestehen. Viele Frauen leben unter ständiger Bedrohung – mit Konsequenzen für sich selbst oder ihre Angehörigen – nur weil sie es wagen, die Wahrheit auszusprechen.
„Sexualisierte Gewalt ist vielleicht die am meisten vergessene und verschwiegenste Gewaltform, die von bewaffneten Akteuren ausgeübt wird. Keine Gruppe gibt offen zu, vergewaltigt, belästigt oder eine Frau zur Prostitution gezwungen zu haben. Es ist einfacher, eine Vertreibung, Enteignung oder sogar einen Mord zu gestehen. Doch sexualisierte Gewalt ist mit einer tiefen moralischen Verurteilung belegt – nicht für die Opfer, sondern für die Täter.“
— Nationales Zentrum für Historisches Gedächtnis
Jedes Mal, wenn eine Frau sich entscheidet, ihre Wahrheit zu teilen, riskiert sie ihr Leben.
Kann man wirklich die Wahrheit sagen, wenn sie alles kosten könnte?
Es ist niemals leicht, sich selbst als Überlebende sexualisierter Gewalt zu bezeichnen. Und doch gibt es mutige Frauen – lebende Zeuginnen des Krieges –, die trotz aller Risiken ihre Stimme erheben. Durch ihre Zeugnisse, die mit der Welt geteilt werden, werden wir zu Zeugen. Ihre Geschichten werden durch die Linse künstlerischer Praxis erforscht – intim, strategisch und kompromisslos.
In den vergangenen Jahren hatte ich das Privileg, einige dieser Frauen kennenzulernen und Vertrauen zu ihnen aufzubauen. Zu sehen, wie sie sich aus dem Trauma des Krieges herauskämpfen – aus Realitäten, die wir nur allzu oft von der sicheren Distanz aus ignorieren –, hat mich zutiefst bewegt und inspiriert. Ich fühle eine tiefe Verantwortung, ihre Stimmen zu verstärken und ihrer Wahrheit durch meine Kunst Sichtbarkeit zu verleihen.
Die Wahrheit auszusprechen bedeutet: Ich lebe.
Wenn eine Frau ihre Geschichte erzählt, schafft sie ein Echo – ein Echo der Hoffnung für jene, die noch im Schweigen leben. Dieses Echo hat die Kraft, ein kollektives Bewusstsein zu verändern.
Der Kelch der Wahrheit: Keine Schweigeminute für sie ist ein genderfokussiertes Projekt, das Fotografie und Klang, Natur und Sprache mit dem weiblichen Körper als lebendem Archiv verbindet. Die Geschichten der Frauen werden in einer immersiven, sich wiederholenden Klang- und Bildschleife präsentiert – Besucher*innen sind eingeladen, zu hören, zu fühlen und zu sehen, was diese Überlebenden zu sagen haben. Ich bin überzeugt, dass ein wesentlicher Teil des Reparationsprozesses darin besteht, ihre Geschichten lebendig zu halten und sie auf ihrem Heilungsweg zu begleiten.
Deshalb fließt ein Teil der im Rahmen dieses Projekts gesammelten Mittel in den Aufbau eines psycho-emotionalen Unterstützungsprogramms für Überlebende sexualisierter Gewalt. Dieses Programm wird in Madrid, Spanien, angesiedelt sein und betroffenen Frauen im Kontext des bewaffneten Konflikts helfen, ihr Leid in neue Lebensperspektiven zu verwandeln.
Dieses Projekt ist von Frauen für Frauen.
Es ehrt jene, die noch nicht den Mut gefunden haben zu sprechen, und stärkt diejenigen, die beginnen, ihre Stimme zu erheben.
Das Erzählen dieser Geschichten, ihre Sichtbarmachung und die Anerkennung ihrer Menschlichkeit sind Wege zur Befreiung – denn die Wahrheit wird uns befreien.
Danke, dass Sie mit uns gemeinsam Brücken bauen.
Danke, dass Sie an Heilung und Neuanfänge glauben.
Danke, dass Sie erwägen, Teil dieses Projekts zu werden.
Lassen Sie uns einander die Hand reichen.
Gemeinsam sind wir stark.
Künstlerin: Juanita Díaz Torres
Fotografie: Steffany Hernández
Musik: Natalia Lafourcade ft. Gustavo Guerrero – Tonada de Luna Llena
Songautor: Simón Díaz
Über die Künstlerin
Juanita Díaz Torres ist bildende Künstlerin mit Spezialisierung auf plastischen Ausdruck an der Pontificia Universidad Javeriana. Sie ist TEDx-Rednerin, zertifizierter Life Management Coach und hat einen Master in Kunstmärkten und Business Management von der Universidad Nebrija. Juanita wurde als eine der „50 Transformational Leaders“ Bogotás ausgezeichnet und gehört zu den „16 inspirierenden Geschichten von Frauen in Kolumbien“ des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UN WOMEN).
Sie hat an Fernsehdiskussionen teilgenommen, sich im Stadtrat von Bogotá engagiert und wurde von zahlreichen nationalen und internationalen Medien interviewt, darunter EL PAÍS, VICE Magazine, Caracol Radio und RCN Television.
Im Jahr 2011 wurde sie während ihres Studiums von einem Kommilitonen sexuell missbraucht – ein Ereignis, das eine tiefgreifende persönliche, künstlerische und gesellschaftliche Transformation in Gang setzte. Ihre kreative Praxis begann als intime Auseinandersetzung jenseits des Verbalen – durch Malerei, Marmorskulptur, Radierung, Zeichnung und Klavierkomposition. Mit der Zeit entwickelte sie ihre Arbeit zu kollektiven Aktionen als Form des sozialen Wandels weiter.
2015 komponierte sie das Lied DESPEGAS – TAKE OFF und initiierte eine wöchentliche Aktion jeden Donnerstag vor dem Ort, an dem der Übergriff stattgefunden hatte. Unterstützt von Lehrerinnen, Juristinnen und Mitgliedern der Zivilgesellschaft wurde so ein breiter gesellschaftlicher Dialog angestoßen.
So gründete sie die Organisation „P of Persistence (I de Insistencia)”, die Überlebenden sexualisierter Gewalt – sowohl innerhalb als auch außerhalb des bewaffneten Konflikts – professionelle Unterstützung sowie präventive Bildungsstrategien bietet. Heute gründet sie eine neue Organisation namens FLORA, mit Sitz in Madrid, Spanien.
Juanita hat ihre Arbeiten in Spanien, Kolumbien und Mexiko ausgestellt. Seit vier Jahren lebt sie in Madrid und widmet sich erneut ganz ihrer künstlerischen Praxis – getragen von Resilienz, Wahrheit und der transformativen Kraft des kreativen Ausdrucks.
Ein großer Dank gilt der Eva Leinemann Kunststiftung für die großzügige finanzielle Unterstützung. Ohne diese wertvolle Förderung wäre die Umsetzung dieses Projekts in dieser Form nicht möglich gewesen.
Um die Organisation FLORA zu unterstützen haben wir ein Shirt gestaltet
In order to support FLORA we designed a CHARITY SHIRT
40€ (shipment within Germany is included)
50€ (shipment within EU is included)
Produktion auf Nachfrage / production on demand
*Shirts sind rückseitig bedruckt / shirts are printed on the back
Stanley/Stella Unisex Basic Bio T-Shirt Crafter
WORKS + INSTALLATION VIEWS
The Chalice of Truth: Not a Minute of Silence for Them
In Colombia, decades of armed conflict have left millions of victims across five major human rights violations: homicide, forced disappearance, kidnapping, child recruitment, and forced displacement. In 2018, the Observatory of Memory and Conflict reported 15,687 victims of sexual violence within this context. Today, the most recent Unified Registry of Victims (RUV) reveals an alarming rise—documenting 32,446 cases of violence against sexual freedom and integrity. Women and girls make up 92% of all victims. These acts were committed by paramilitary groups, guerrilla forces, and state actors.
And yet, according to Colombia’s National Center for Historical Memory, it is far more common for armed groups to admit to murder than to acknowledge acts of sexual violence. Many women live under threat—facing potential retaliation against themselves or their families—simply for daring to tell the truth.
„Sexual violence is perhaps the most forgotten and silenced form of violence used by armed actors. No group openly admits to raping, harassing, or forcing someone into prostitution. It’s easier to confess to forced displacement, dispossession, or even murder. But sexual violence is cloaked in deep moral condemnation—not for the victims, but for the perpetrators.“
— National Center for Historical Memory
Every time a woman chooses to speak, to share her truth, she puts her life on the line.
Can someone truly tell the truth knowing it could cost her everything?
It is never easy to admit that we have been victims of sexual violence. And yet, there are courageous women—living survivors of war—who have risked everything to raise their voices and speak out. Through their testimonies, shared with the world, we bear witness. Their stories are explored through the lens of artistic practice—intimately, strategically, and unapologetically.
Over the past few years, I’ve had the privilege of meeting some of these women and building bonds of trust with them. Witnessing how they have emerged from the trauma of war—realities too often ignored from a place of comfort—has deeply moved and inspired me. I feel a profound responsibility to amplify their voices, to give visibility to their truth through my art.
To speak the truth is to declare: I am alive.
When a woman tells her story, she creates an echo—an echo of hope for others still in silence. That echo has the power to transform collective consciousness.
The Chalice of Truth: Not a Minute of Silence for Them is a gender-focused project that weaves together photography and sound, nature and language, with the female body as a living archive. The women’s stories are presented in a continuous, immersive loop—inviting visitors to listen, feel, and see what these survivors have to say. I believe that part of the process of reparation lies in keeping their stories alive and supporting their journey of healing.
That is why a portion of the funds raised through this project will go toward establishing a psycho-emotional support program for survivors. Based in Madrid, Spain, this initiative will provide care and resources for women affected by sexual violence in the context of armed conflict—helping them transform pain into new possibilities for life.
This project is by women, for women.
It honors those who have not yet found the strength to speak, and uplifts those who are beginning to do so with courage.
Telling these stories, making them visible, and affirming their humanity is a path toward liberation—because the truth will set us free.
Thank you for joining hands with us.
Thank you for believing in healing and new beginnings.
Thank you for considering being part of this project.
Let’s build a bridge between us.
Together, we are empowered.
Artist: Juanita Díaz Torres
Photography by: Steffany Hernández
Music by: Natalia Lafourcade ft. Gustavo Guerrero – Tonada de Luna Llena
Song Author: Simón Díaz
About the Artist
Juanita Díaz Torres is a visual artist specialized in Plastic Expression from Pontificia Universidad Javeriana. She is a TEDx speaker, certified Life Management Coach, and holds a Master’s degree in Art Markets and Business Management from Universidad Nebrija. She has been recognized as one of Bogotá’s 50 Transformational Leaders and was featured among the “16 Inspiring Stories of Women in Colombia” by the United Nations Population Fund (UN WOMEN).
She has participated in national television debates and served as a voice in the Bogotá City Council. Her story and work have been featured in international and national media such as EL PAÍS, VICE Magazine, Caracol Radio, and RCN Television, among others.
In 2011, during her university years, Juanita experienced sexual abuse by a fellow student—an event that catalyzed a profound personal, artistic, and social transformation. Her creative practice began as an intimate exploration beyond words—through painting, marble sculpture, engraving, drawing, and piano composition. Over time, this evolved into collective actions as a form of social transformation.
In 2015, she composed the song DESPEGAS – TAKE OFF, launching a weekly public action every Thursday in front of the location where the assault occurred. Supported by teachers, lawyers, and members of the wider community, this initiative sparked broader conversations and engagement across Bogotá.
This is how she founded P of Persistance (I de Insistencia)—an organization offering professional support and educational strategies for survivors of sexual violence, both within and outside the context of Colombia’s armed conflict. Today, she is establishing a new organization, FLORA, based in Madrid, Spain.
Juanita has exhibited her work in Spain, Colombia, and Mexico. For the past four years, she has been living in Madrid, fully dedicated once again to her artistic journey—one grounded in resilience, truth, and the transformative power of creative expression.
Our sincere thanks go to the Eva Leinemann Kunststiftung for their generous financial support. Without this invaluable contribution, the realization of this project in its current form would not have been possible.